Der Brandstein im Herzen des Hochschwabs ist ein wahres alpines Kleinod für uns “Bergzigeuner”. Mit seiner charakteristischen ovalen Form, der markanten Südwand und dem steilen Ostgrat ist der Brandstein bereits von weitem wahrzunehmen. Das Landschaftsbild westlich von Ebenstein und Schaufelwand wird seit jeher von dieser wunderschönen Felsgestalt geprägt.
Brandstein im Morgenlicht
Social Distancing made in Styria
Der bereits 4. Lockdown wurde vor wenigen Stunden angekündigt. Doch der kurze Ärger über die bevorstehenden Einschränkungen ist bald verflogen, als ich erfahre, dass mein Seilpartner Kuni ebenfalls in den nächsten Tagen Zeit zum Klettern hat. Social Distancing haben wir bereits in der Zeit vor der Pandemie perfektioniert und so treffen wir uns mit einem voll bepackten Kletterrucksack in der Gsollkehre. Über dem wohl bekannten Weg liegt eine zarte Schicht Pulverschnee, die uns die restlichen Kilometer begleiten wird.
Der Schnee knirscht unter den Bergschuhen und erste Zweifel kommen auf, ob sich noch eine hochalpine Kletterei im steirischen Gebirg ausgehen wird. So schön die Wände im Grazer Bergland auch sein mögen, eine Kletterei im Gebirge können diese niemals ersetzen. Als wir unsere Wand dann zum ersten Mal zu Gesicht bekommen dann die freudige Überraschung. Die komplette Südwand ist beinahe schneefrei.
Bereich Bergzigeuner
Der Zweifel weicht dem Enthusiasmus und so haben wir einen spätherbstlichen traumhaften Tag am Hochschwab in Aussicht. Natürlich sind die Temperaturen schon dementsprechend winterlich, aber wir könnten es wahrlich schlechter erwischt haben. Die Sonne scheint und die dominierende Windrichtung ist Nordwest. Beides gute Zutaten um den Tag in einer Südwand zu verbringen.
Schnee in der ersten SL
Besser mit Bergschuhen
Über den Jagdsteig geht es vorbei, durch die von Dolinen zerlöcherte Karstlandschaft, hinein in die Latschengasse. Rasch geht es hinauf zur Südwand und schon bald stehen wir unter der sonnenbeschienen Plattenwand beim ersten Standplatz. In der Schattenseite, wo sich der Schnee noch gehalten hat, geht es dann aufwärts zum ersten Standplatz unter einer markanten Verschneidung. Dort wechseln wir von den Berg- auf die Kletterschuhe.
Hinein in den Plattentraum der 2. SL
Eine herbstliche Winterbegehung
Das Plattenklettern in den steifen Kletterschuhen ist zwar noch ziemlich gewöhnungsbedürftig, doch wir haben ja schon Ende November. Und diese Zeit in einer Wand im Hochschwab verbringen zu dürfen ist ein wahres Privileg.
Kuni in der 4.SL
Kuni in der kompakten Schlüssel SL
Traumhafte Plattenschleicherei
Zur Tour selbst braucht man eigentlich nicht viel sagen. Wunderbare Plattenlängen im teils traumhaft schönen Dachsteinkalk dominieren den Charakter dieser Linie. Die Klettermeter zergehen förmlich unter den Sohlen der Kletterschuhe. Und kurze Zeit später stehen wir auch schon am Plateau im Pulverschnee, von wo aus wir den langen Weg nach Hause antreten.
Beim Pfaffingkreuz blicke ich vielleicht ein letztes mal in diesem Jahr zurück zu dieser Schönheit, verabschiede frohen Sinnes und seligen Herzens das bleiche Gebilde, das mir weit mehr ist als toter Kalk, bis wir wenig später entführt aus den glücklichen Stunden in das ruhelose Getriebe der Welt zurückkehren.
Hard Facts
- Gebirge: Hochschwab / Brandstein
- Route: Bergzigeuner
- Schwierigkeit: VI
- Wandhöhe: 285m
- Erstbegeher: K. Endler und S. Vollmann August 2018
Tipps und Infos
- Material: 50m Halbseile, 7 Exen und eventuell kleines Sortiment Friends
- Führerliteratur:
- Hochschwab Auferbauer
- Kletterführer Hochschwab – Martin Gumpold, Christian Leitinger und Thomas Behm
- Mögliche Steinschlaggefahr durch Steinböcke
Fazit
- Traumhafte Kletterstellen
- Gute Felsqualität